… Schwecke, der bei dem Bremer Maler Jürgen Waller Freie Kunst studierte, wurde hinlänglich mit den Verfahren des Realismus, auch der kritischen Stellungnahme des Künstlers bekannt gemacht. Gleichzeitig hat er über ein Transzendieren (Überschreiten!) der realistischen Bildsprache nachgedacht. … Wenn er Landschaften oder Städte fotografiert, reduziert er – sehr individuell mit dem fotografischen Material umgehend – die Syntax und somit das visuelle Ergebnis seiner Fotografie auf ein Minimum konventioneller Bild-Spuren und Bild-Zeichen. Wenige senkrechte Linien etwa werden zu optische Überbleibseln einer Häuser-Reihe. Solch unscharfe Linien können auch als Schilf im Wind gelesen werden. Das Abbild des Campanile von Venedig kann auch ein solitärer Baum sein. Eine verstreute Gruppe von Spaziergängern am Strand wirkt wie Noten-Notierungen eines Komponisten. Nicht nur Gerhard Richter hat mit der Wirkung unscharfer Fotos experimentiert. Schon Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ war ein Verlassen, ein Überschreiten, Abtauchen weg von den klassizistischen Landschafts-Ansichten seiner Epoche. Er hat den Weg zur Romantik beschritten, ist eingetaucht in die Unschärfen der Dämmerungen und Nachtgedanken: Der romantische Dichter Novalis hat dazu – für uns erstaunliche – Formulierungen gefunden:

„Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. – Was quillt auf einmal so ahnungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmut weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht?“ …

Rainer B. Schossig, Zur Eröffnung der Ausstellung „(un)sichtbare Grenzen“, in der Bremer Villa Sponte, 07. Mai 2023