Gabriele Schneider im Gespräch mit Ulrich Schweckeim Bridge- und Kulturladen, Bremen, 3. März 2023

Gabriele Schneider: Es wurde ja ein Künstlergespräch angekündigt. Das würde ich jetzt noch mal ein bisschen relativieren.

Ja, ich werde ein paar Fragen stellen, habe ein paar vorbereitet, wenn aber von Ihnen jetzt Zwischenfragen kommen, geben Sie mir ein kleines Zeichen. Denn das Schönste wäre, Sie beteiligen sich. Sie haben Fragen, Sie haben Interesse … wie was genau gemacht worden ist oder warum und wieso?  Geben Sie ein kleines Zeichen, dann führen wir alle das Gespräch mit Herrn Schwecke und ich führe nur so ein bisschen ein, dass wir quasi warm werden.

Herr Schwecke Sie fotografieren ja schon lange neben ihrer Tätigkeit als Business Coach und auch Trainer und Inhaber einer Werbeagentur. Können Sie etwas zu ihrem künstlerischen Werdegang als Fotograf sagen? Wie kam das?

Ulrich Schwecke: Ich fotografiere seit Jugend und hab dann aber Flächengestaltung (freie Kunst) hier in Bremen bei Jürgen Waller studiert, allerdings keine Malerei sondern manuellen Druck.

Es gab dann auch kleinere Ausstellungen – aber ehrlich gesagt die Vernissage, wie ich sie damals erlebt habe, haben mich ziemlich genervt. Lauter sehr distinguierte Leute … Das war nicht meins und deswegen hab ich’s gelassen. Ich bin dann in den angewandten Bereich der Kunst gesteuert, habe eine Werbeagentur gegründet hat und sehr viel im Bereich von Öffentlichkeitsarbeit für soziale, kulturelle oder umweltfreundliche Projekte gemacht. So konnte ich auch meinen politischen Anspruch umsetzen. Zeitgleich begann ich Aikido zu praktizieren – das ist eine Kampfkunst, sehr dynamisch und wie ich finde – sehr ästhetisch.

Ich hatte mir vorgenommen diese besondere Energie des Aikido fotografisch einzufangen. Wenn ich klassisch fotografiert hätte – z.B. mit einer 125stel Sekunde hätte ich eingefrorene Bewegung gehabt und von der Energie und Dynamik wäre nichts mehr zu sehen gewesen. Deshalb begann ich mit langen Belichtungszeiten und bewegter Kamera zu experimentieren. Die entstandenen Arbeiten stehen am Anfang der Serie „Poesie der Unschärfe“. Manche sagen das Motiv sieht aus wie ein Tanz, ein Derwisch oder etwas in der Art. Das passt für mich. Ob Aikido erkannt wird, darauf kommt es für mich nicht an. Mir ging es um die Energie. Und das Ergebnis hat mich selber überrascht und deswegen habe ich mit dieser Technik weiter gemacht.

Gabriele Schneider: Diese Ausstellung hier bei uns hat das Motto „Poesie der Unschärfe“.  Im Allgemeinen, wenn ich das Wort Poesie höre, dann denke ich an Dichtung, Rilke, Lyrik… Dann kommt mir auch das Poesiealbum wieder in den Sinn, das wir alle (jedenfalls in meiner Generation) bekommen oder auch weitergegeben haben.  Was verbinden Sie mit Poesie der Unschärfe?

Ulrich Schwecke: Ich könnte auch sagen, dass es für mich eine Art Meditation ist, die uns vielleicht ein Stück weit verzaubert und einen neuen Blick ermöglicht. Gerhard Richter schreibt: „Ich verwische, damit alle Teile etwas ineinander rücken. Ich wische vielleicht auch das Zuviel an unwichtiger Informationen aus.“

Gabriele Schneider: Wie der Weg der Entwicklung von Gegenständlichkeit zur Unschärfe gekommen ist, haben sie ja schon gesagt. Was ist Ihnen im künstlerischen Prozess, bei dem es um das Thema „Poesie der Unschärfe“ geht, wirklich bedeutsam und wertvoll?

Ulrich Schwecke: Die Bilder sind abstrakt und ermöglichen dadurch einen unterschiedlichen Zugang … also jeder kann darin auch ein Stück weit etwas anderes sehen … wie bei dem Aikido-Bild. Durch die Unschärfe entsteht so auch die Möglichkeit einer Begegnung – also dass man aus unterschiedlicher Perspektive drauf gucken und sich austauschen kann.  Es gibt einen Satz von Wittgenstein – „Ist das unscharfe nicht oft gerade das, was wir brauchen?“

Ich verstehe ihn so, dass wir akzeptieren sollten, dass es in unser aller Wahrnehmung Unschärfen gibt. Wir alle haben unterschiedlichen Hintergründe, Erfahrungen, Identitäten und sehen von daher auch alle unterschiedlich auf die Welt. Die Akzeptanz der Unschärfe ist auch die Akzeptanz, dass es unterschiedliche Perspektiven gibt. Für den Dialog ist das sehr hilfreich.

Gabriele Schneider: Wie genau machen Sie das, dass Sie solch eine verschwommene und stimmungsvolle Wirkung erzielen, wie kriegen Sie das hin?

Ulrich Schwecke: Erst mal brauche ich eine Idee, ein Motiv…   von dem ich annehme: das könnte spannend werden. Das Zweite ist die Technik, meistens bewege ich die Kamera während der Aufnahme. Die Bilder entstehen dadurch, dass ich die Kamera schwenke, kreisförmig bewege, mit der Kamera laufe oder was auch immer tue, damit sie unscharf werden.

Lange ist es mir nicht gelungen Berge zu fotografieren. Ich dachte schon, das ist nichts für mich. Meer das geht, aber Berge nicht. Aber dann ist dieses Bild vom Latemar (ein Gebirgszug in Südtirol) entstanden. Ich habe während ich gelaufen bin ausgelöst. Entstanden ist eine Bewegung, die an Wellen, an Brandung erinnert. Und das passt ja auch ganz gut, da die Dolomiten aus dem Meer entstanden sind.

Besucherin:  Kann man so auch analog fotografieren?

Ulrich Schwecke: Kann man … auch beim Aikido habe ich zuerst analog fotografiert. Nur – wenn man das macht, dann kann man arm dabei werden. Da hinter dem fertigen Bild Dutzende von Versuchen stehen, würden ziemlich viele Filme verbraucht. Die digitale Fotografie bietet hier mehr Möglichkeiten.

Gabriele Schneider: Eine andere Frage, persönlich, haben eigene Gefühle und Eindrücke ihren künstlerischen Weg beeinflusst.

Ulrich Schwecke: Nur! Wann sagt man als Künstler ein Bild ist gut oder passt, ist fertig oder ist nicht fertig. Also theoretisch kann man das nicht entscheiden.

Besucher: Gegenfrage – wie sonst?

Ulrich Schwecke: Letztendlich ist es für mich immer ein Bauchgefühl … also entweder es kribbelt oder es kribbelt nicht.

Gabriele Schneider: Wie suchen Sie die Motive aus oder sucht das Motiv Sie aus und wann kommt dann der Impuls auf den Auslöser zu drücken?

Ulrich Schwecke: Normalerweise nehme ich mir keine Themen vor. Die Motive triggern mich. Ich begegne ihnen, lasse mich locken und dann fange ich irgendwie an.

Gabriele Schneider: Wissen Sie was dabei rauskommt, wenn sie den Finger auf den Auslöser drücken.

Ulrich Schwecke: Nein, nie. Das kann ich nicht wissen. Wenn ich mit bewegter Kamera fotografiere entstehen wirklich viele Aufnahmen. Nach dem Fotografieren prüfe ich dann, ob was dabei ist. Oft genug lösche ich alles, komplett – aber manchmal auch nicht.

Gabriele Schneider: Ich habe über Sie gelesen, dass Sie nicht einfach fotografieren, sondern mit der Kamera arbeiten und anschließend arbeiten Sie mit dem Foto bis daraus ein Bild entsteht – im besten künstlerischen Sinne – ist das richtig wiedergegeben?

Ulrich Schwecke: Jeder Fotograf arbeitet mit der Kamera. Bei mir ist es halt manchmal auch ein bisschen anstrengend, da ich ziemlich rumfuhrwerke, ich muss richtig körperlich ran.

Am Rechner treffe ich dann die Auswahl, welches Motiv kommt in Frage, dann korrigiere ich vielleicht noch die Achsen oder Farben.

Gabriele Schneider: Sie haben in einem Artikel geschrieben die Motive begegnen Ihnen, sie springen sie quasi an und lösen Gedanken und Prozesse aus. Können Sie uns dazu ein Beispiel nennen?

Ulrich Schwecke: Es ist ein spontaner Prozess. Das Ergebnis ist nicht planbar, es entsteht.

Besucherin: Wenn Sie das Motiv haben. Entsteht dann ein Dialog zwischen Ihnen, der Kamera und dem Motiv?

Ulrich Schwecke: Ich folge einem Prozess, den der Soziologe Hartmut Rosa vielleicht als Resonanz bezeichnen würde. Es entsteht eine Resonanz zwischen mir und dem Motiv und dann hoffentlich zwischen dem Bild und den BetrachterInnen. Ich würde es nicht Dialog nennen. Aber da ist etwas was mich zieht, bei dem ich das Gefühl habe, dass es etwas zu sagen hat. Das Motiv hat eine Wahrheit, eine Essenz, um die es für mich geht. Deshalb passt für mich der Begriff Resonanz hier besser.

Besucherin: Dieses Bild hier zum Beispiel, haben Sie die Farbe da reingebracht? Dieses Rot wo kommt das denn her? Ist das Ihre Phantasie?

Ulrich Schwecke: Das Bild habe ich auf Sylt aufgenommen. Es ist manchmal so, dass sich bei Aufnahmen mit bewegter Kamera die Farben intensivieren und dann setze ich da an und verstärken sie vielleicht noch mal.

Gabriele Schneider: Sie selbst sind manchmal auch überrascht, wie schön das wirkt?

Ulrich Schwecke: Ja, das stimmt.

Ich glaube, das geht manchen Malern genauso. Wenn Farbe schnell und spontan aufgetragen wird, wissen sie auch nicht, ob es gut oder weniger gut wird. Picasso hat ja oft genug ganze Bilder wieder abgewaschen und danach neu gemalt. Das hat sicher seinen Grund gehabt.

Gabriele Schneider: „Die Wirklichkeit ist immer mehr als ein einzelnes Foto zeigen kann“. Das ist ein Zitat von ihnen. Was meinen sie damit und was soll damit aufgezeigt werden?

Ulrich Schwecke: Fotografie steht ja in dem Ruf, dass sie dokumentarisch ist. Das ist sie auch ohne Photoshop und KI nicht. Jeder Ausschnitt, den ein Fotograf wählt, vermittelt einen anderen Eindruck. Ich könnte diesen Raum jetzt mit Ihnen allen fotografieren und zeigen, wie viele Menschen heute hierher gekommen sind (worüber ich mich sehr freue). Wenn ich die Kamera aber auf die Wand dahinten richte, ist niemand auf dem Foto und der Eindruck wäre komplett anders.

Interessanterweise hatten viele der Fotos, die wir für ikonisch halten, einen anderen Hintergrund, als das wofür wir sie genommen haben. Zum Beispiel eines der berühmtesten Bilder aus dem Vietnamkrieg. Der vietnamesische Polizeichef von Saigon erschießt auf offener Straße einen Vietcong. Dieses Bild hatte einen extrem großen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des Krieges, es trug wesentlich dazu bei, dass die Stimmung kippte. Alle dachten hier würde ein unschuldiger Mensch exekutiert.

Ganz so war es nicht. Bei dem Getöteten handelte es sich um jemanden, der zuvor Freunde des Polizeichefs ermordet hatte. Das legitimiert nicht die Hinrichtung – ist aber etwas anderes.

Ähnliches gilt für das berühmte Portrait von Che Guevara. Che schaut mit wehenden Haaren in die Ferne, mit großem revolutionären Pathos. Tatsächlich wurde das Bild bei einer Trauerfeier aufgenommen. Das vermeintlich Heroische im Bild ist vielleicht die Trauer über einen Verlust.

In beiden Beispielen wird die Bedeutung von uns hineininterpretiert. Sie hat mit der aufgenommenen Situation wenig zu tun.

Ich habe vor kurzem ein Interview mit einem Kriegsfotografen gelesen, der in der Ukraine tätig war. Er erzählte von einem zerschossenen Auto, dass er fotografiert hatte und dieses Bild wurde dann auch publiziert. Das, was nicht zu sehen war, war die Frau, die in dem Auto gesessen hatte und die durch eine Rakete zerfetzt worden war. Das konnte er nicht fotografieren und es wäre auch nicht veröffentlich worden. Was ist jetzt Wahrheit?

Fotografie ist nie objektiv, immer nur ein ganz kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit, wie generell unsere Wahrnehmung. Das, was wir fokussieren, nehmen wir wahr, alles andere sehen wir nicht. Und wenn wir über Wirklichkeit sprechen, dann gehört dazu, dass wir akzeptieren, dass es sich immer um einen Teilaspekt handelt, ein kleines Detail des Ganzen.

Diane Arbus hat mal gesagt: „Ein Foto ist wie das Geheimnis eines Geheimnisses. Je mehr es erzählt, um so weniger erfährt man“.

Gabriele Schneider: Resonanz und Reaktion auf Ihre Fotos … ich hab auch schon gestern – als die Bilder hingen – schon so ein bisschen was gehört: „Wie schön!“ und „Es gefällt mir gut.“ und andere, die sagten: „Das ist nicht meins, da kann ich nichts mit anfangen.“ Die Frage jetzt an Sie. Über welche Reaktion und Resonanz auf ihre Bilder freuen Sie sich?

(Große Heiterkeit im Publikum)

Besucherin: Wichtig für mich ist, was mich berührt. Ob ich ein Bild betrachte oder einen Kinofilm sehe. Jeder Mensch betrachtet es ja anders. Aber wenn es mich berührt, dann …

Besucher: Du hattest anfangs gesagt, dass Deine Bilder „die Poesie der Unschärfe“ ein Stück weit die Gesellschaft abbilden. Heißt das, dass wir als Teil der Gesellschaft die Realität unscharf betrachten oder wie ist das gemeint?

Ulrich Schwecke: Alles bildet die Gesellschaft ein Stück weit ab. Und immer sehen wir die Realität auch unscharf, sie ist nicht vollständig. Vorhin wollte ich aber etwas anderes sagen, nämlich, dass ich mich in den letzten Jahren bemüht habe mehr auf die politischen Veränderungen in dieser Gesellschaft zu reagieren …  Beispiele dafür sind auch die Postkartenserien, die hier auch gern käuflich erworben werden können. Bei denen wird das vielleicht ein bisschen deutlicher.  Aber auch in diese Ausstellung habe ich Motive aufgenommen, die für mich die aktuelle politische Situation reflektieren. Zum Beispiel „Ecce homo“. Die Figur steht da mehr oder weniger erstarrt, geht nicht links oder rechts und drumherum ist es ziemlich duster. So fühle ich mich in letzter Zeit auch öfter. Ein weiteres Beispiel ist „Der Schrei“.

Gabriele Schneider: In den Artikeln, die über Sie geschrieben wurden stand auch, dass eine Frau mal vor einem Bild geweint hat, weil es sie so tief berührt hat. Das ist doch sicher eine schöne Anerkennung, oder?

Ulrich Schwecke: Ganz genau. Ich glaube, das hat etwas mit der Unschärfe zu tun. Die Unschärfe lädt die BetrachterInnen ein, das Bild in ihrem Sinne mit eigenen Erfahrungen zu vervollständigen. Die Unschärfe erleichtert den emotionalen Einstieg. Das geht mir genauso. Es gab vor Jahren eine großen Rothko-Ausstellung in Hamburg und ich bin da so durchgegangen und die meisten Bilder bestanden, wie bei Rothko üblich, aus zwei Farbflächen, in unterschiedlichen Tönen. So ging es eine ganze Weile und dann war da ein Bild, das mich maximal berührte, es war, als wäre ich vom Donner gerührt. Dieses Bild unterschied sich von den anderen nur dadurch, dass die Farben etwas anders waren. Offenbar hatte es etwas tief in mir angetriggert.

Ich weiß nicht, ob das mit einer gegenständlichen Arbeit auch so möglich wäre.

Besucherin: Ich finde, dass die Phantasie durch die Unschärfe stärker angeregt wird. Man beschäftigt sich vielmehr mit dem Bild.

Ulrich Schwecke: Genau. Wenn ich diesen Strand klassisch fotografiert hätte, würden Sie vielleicht sagen: Ja okay, Meer, haben wir schon mal gesehen.  Schönes Foto, hab ich letztens auch so ähnlich gemacht. Abgehakt. So kann eine Resonanz entstehen und die Betrachterinnen können ihre eigenen Erfahrungen, Stimmungen einbringen.

Schärfe oder Unschärfe hat aber auch eine politische Dimension. Der scharfe Blick ist ein Synonym für Beherrschung und Kontrolle. Letztes Jahr waren wir aus Anlass der Anselm Kiefer Ausstellung im Dogenpalast in Venedig. Der Palast hängt ja voll mit riesigen Gemälden, die Dogen in der Mitte, an ihrer Seite oder davor oder dahinter Heilige. Die Aussage ist klar, der Doge ist durch Gott legitimiert. Wer sich mit den Dogen anlegt, legt sich mit Gott an und das will natürlich niemand. Diese Bilder sind scharf bis ins letzte Detail. Die Bilder hatten den Zweck Herrschaft zu legitimieren. Unschärfe hätte da nicht gepasst. Wären sie unscharf, hätte der Auftraggeber vermutlich schnell interveniert.

Besucher: Ich möchte noch mal zu dem Titel „Poesie der Unschärfe“ zurückkommen. Also Unschärfe kann ja auch Angst machen, Unschärfe kann auch Unsicherheit auslösen und ich empfinde augenblicklich die Situation so … es ist schwankender Boden auf dem wir uns bewegen, wir wissen eigentlich nicht so richtig wo’s langgeht, wie’s weitergeht und deswegen ist das eigentliche Phänomen, dass,  wenn gesagt wird die scharfe Fotografie, die genau schildert, worum es geht, – da kann ich mich mit identifizieren, da ist Sicherheit.  Unschärfe kann auch Angst machen. Deswegen finde ich es nicht eindeutig von der „Poesie der Unschärfe“ zu sprechen oder meinen Sie das so, dass das sozusagen ihr Gegenprogramm ist zu dem, was augenblicklich viele Menschen empfinden?

Ulrich Schwecke: Ja beides. Wir haben schon darüber gesprochen, dass es eine Unschärfe gibt, die verzaubert – poetisch verzaubert. Das ist die eine Ebene.

Und es gibt eine Unschärfe, die Unsicherheiten hervorrufen kann. Für viele ist das bedrohlich und sie suchen oft nach einfachen Erklärungen, die wieder Sicherheit gibt. Das führt dann auch zu der Diskussionskultur, die wir gegenwärtig in Deutschland oder den USA beobachten können. Zwischen den konfligierenden Positionen gibt es keine Unschärfen / Unsicherheiten mehr. Die eigene Meinung ist die Alleinseligmachende und die anderen sollen am Besten verschwinden.

Vermutlich ist dieses Verhalten bloßer Ausdruck individueller Angst. Mehrdeutigkeiten können nicht mehr akzeptiert werden und dass vordergründig unterschiedliche Positionen alle recht haben erscheint sowieso ungeheuerlich. Ich hatte vorhin schon Wittgenstein zitiert. Die Anerkennung dessen, dass unsere Wahrnehmung ein unscharfes Bild vermittelt, ist Voraussetzung für einen lösungsorientierten Dialog.

Ich habe in den letzten Jahren versucht mit unterschiedlichen Ansätzen und Arbeiten diese Entwicklungen zu reflektieren. Die Serie „Where are we now“ versucht genau das zu reflektieren. Was macht das eigentlich mit uns, wenn frühere Gewissheiten beiseite gefegt werden? Früher waren wir alle Pazifisten und heute kann es gar nicht schnell genug damit gehen, dass die Panzer in die Ukraine kommen.

Die Serie „One Day I will Fly“ ist etwas persönlicher aber umkreist das gleiche Thema. Das sind Objekte, die ich zum Thema Bindung und Lösung aus der Bindung gemacht habe.

Gabriele Schneider: Jens Joost Krüger (er arbeitete bei der Wirtschaftsförderung Bremen) hat geschrieben: „Ulrich Schwecke fotografiert künstlerisch. Die Ergebnisse sind malerisch“. Mit diesem Zitat möchte ich unser Gespräch abschließen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und die angeregte Diskussion.

Kontakt:
Ulrich Schwecke
Auf der Kuhlen 1a (im Alten Schlauchturm)
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